Lutz Kleinwächter

Zur Weltraumsicherheitsstrategie der Bundesrepublik Deutschland

Stellungnahme zur öffentlichen Anhörung des Verteidigungsausschusses vom 23. September 2024 zur „Neue Weltraumstrategie Deutschlands“.

Prof. Dr. Lutz Kleinwächter von WeltTrends e.V. wurde auf Vorschlag der Gruppe BSW zur Anhörung eingeladen. Vertreterin für die Partei BSW im Verteidigungsausschuss ist die Abgeordnete Zaklin Nastic.

Die Erschließung und Nutzung des Weltraums ist eine herausragende Dimension in den militärischen und technologischen Kräfteverhältnissen zwischen den Großmächten. Von Anbeginn dominierten dabei strategische Konfrontations-, Konflikt- und Kriegsszenarien die kooperative Konkurrenz. Gegenwärtige Zuspitzungen im Verhältnis USA/NATO vs. China/Russland lassen wenig Hoffnung auf zeitnahe Veränderungen hin zu einer zivilen Streit-/Wettbewerbskultur und Stärkung der Stabilität in einer multipolaren Weltordnung.

Im Rahmen der Verteidigungs- und Rüstungspolitik Deutschlands sind Forderungen nach Anschaffung deutscher Kernwaffen wieder aktiver geworden. Deutschland trägt aber im Zusammenhang mit seiner Geschichte, mit seiner zentralen Rolle in der Europäischen Union und als eine global führende Wirtschafts-/Technologiemacht eine besondere friedenspolitische Verantwortung bei der Ablehnung der Raketenkernwaffenrüstung sowie einer „Militarisierung des Weltraumes“. Mit der Annahme einer „Nationalen Sicherheitsstrategie“ und der „Raumfahrtstrategie“ 2023 sowie der Vorbereitung einer darauf fußenden Weltraumsicherheitsstrategie hat die gegenwärtige Regierung eine qualitativ neue Phase in der Weltraumpolitik der Bundesrepublik Deutschland eingeleitet.

(1) Deutsche Raumfahrthistorie

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(2) Hochrüstung bis zur „Overkill-Abschreckung“

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(3) Rüstungs-Begrenzung/-Reduzierung im Weltraum

(4) Antisatelliten-Waffen

(5) Neue Phase der Konfrontation und Hochrüstung

(6) Proliferation der Raketen-/Kernwaffen und der Weltraumrüstung

(7) Weltraumpolitik und Weltraumsicherheitsstrategie Deutschlands

Fazit

(1) Frieden im Weltraumzeitalter. Die Krieg-Frieden-Frage ist entscheidend! Ein Großkrieg zwischen nuklearen Weltraummächten ist hochgradig unwahrscheinlich. Die gegenseitige fragile „Selbst“-Abschreckung funktioniert seit über einem halben Jahrhundert. Dennoch werden weltraumgestützte militärische Funktionen ausgebaut. Eine fortschreitende Militarisierung des Weltraums erhöht die Konflikt- und Kriegsrisiken. Ein dauerhafter vertrauensbildender Dialog ist im Interesse der Weltraummächte.

(2) Die Ampelregierung Deutschlands erweist sich bislang nicht in der Lage, das internationale Kräfteverhältnis und die Interessen Deutschlands realistisch einzuschätzen sowie daraus eine praktikable Friedens-, Rüstungsbegrenzungs- und Abrüstungspolitik auf der Erde und im Weltraum zu entwickeln. Sie schadet mit ihrer neokonservativen „Zeitenwende“ der Mehrheit der Bevölkerung. Die von den Wirtschaftsinstituten schon 2022 prognostizierte ökonomische Stagnation Deutschlands und die „Wohlstandsverluste“ für die Bevölkerung sind Realität geworden.

(3) Der verantwortungslose „teuflische Dualismus“ einer atomaren und Raketen-Bewaffnung unter Nutzung des Weltraums zur „Kriegstüchtigkeit und -fähigkeit“, ist im Denken und Handeln deutscher Führungskreise seit den 1930er Jahren bis in die Gegenwart existent.

(4) Kooperation statt Konfrontation. Eine neue Runde systemischer Konfrontationspolitik wurde nach der Jahrhundertwende durch die USA eingeleitet – USA/NATO/EU vs. China/Russland. Dieser bipolare Ansatz geht an den Realitäten einer multipolaren Welt des 21. Jahrhunderts vorbei und ist gleichsam „alter Wein in neuen Schläuchen.“ Die Erschließung des Erde-Mond-Systems zur praktischen Nutzung für einen zivilisatorischen Fortschritt der Menschheit würde konterkariert durch eine unregulierte expansive militärische Nutzung des Weltraums.

(5) Multipolarität statt Systemkampf. Keine der Großmächte und Koalitionen kann auf der Erde oder im Weltraum die anderen überwinden oder besiegen. Die Realitäten erfordern eine militärisch gewaltfreie, zivile strategische Streitkultur. Sie beinhaltet Kooperation und Wettbewerb, selbst harte Konkurrenz statt „Systemgegnerschaft“ und „Entkopplung“. Im Fokus steht die schrittweise Schaffung einer multilateralen strategischen Stabilität aller Nuklear- und Weltraummächte.

(6) Akzeptanz der Andersartigkeit. Kooperation statt Ressourcenverschleiß. Das Hauptziel sind Interessenkompromisse zur überfälligen Lösung existenzieller globaler Probleme auf der Erde. Die Menschheit kann sich gigantische ressourcenfressende Parallelstrategien bei der Erschließung des Weltraums nicht leisten. Die Lösung der globalen Probleme wird dadurch auch in diesem Jahrhundert nicht gelingen.

Literaturauswahl

Bahr, Egon (2000): Deutsche Interessen. Streitschrift zu Macht, Sicherheit und Außenpolitik, Taschenbuchausgabe, Karl Blessing Verlag, München.

Crome, Erhard (2022): Zu den Auswirkungen der Vorstellungen von einer „systemischen Konkurrenz“ auf die zwischenstaatlichen Beziehungen, Deutscher Bundestag, Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe, Ausschussdrucksache 20(17)33.

Dornberger, Walter (2020): Peenemünde. Die Geschichte der V-Waffen, RhinoVerlag.
Für eine zukunftsfähige deutsche Raumfahrt. Die Raumfahrtstrategie der Bundesregierung,
Hrsg. Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie, Berlin, 2010 (Nachdruck 2012).

Kaiser, Karl / v. Welck, Stephan (Hrsg., 1987): Weltraum und internationale Politik, R., Oldenbourg Verlag, München.

Nationale Sicherheitsstrategie (NSS), Integrierte Sicherheit für Deutschland, Hrsg. Auswärtiges Amt Berlin, Juni 2023.

Marshall, Tim (2023): Die Geografie der Zukunft, dtv, München.

Müller, Manfred/Kleinwächter, Lutz (1989): Gipfeldiplomatie. Dokumente UdSSR-USA 1985.1988, Staatsverlag der DDR, Berlin, Bd. 1 und 2.

Neuneck, G (2019): Wettrüsten im All? Stand und Perspektiven der Weltraumbewaffnung, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, 15. Juli 2019.

Raumfahrtstrategie der Bundesregierung, Hrsg. Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz, Berlin, September 2023.

Rehm, Georg W. (1965): Rüstungskontrolle im Weltraum, Bonn/Wien/Zürich.
Sokolowski, W. D. (1965): Militär-Strategie, Markus-Verlag, Köln.

Sowjetische Militärenzyklopädie 1976 bis 1980 (1984): Militärverlag der DDR, Berlin.
Verteidigungspolitische Richtlinien 2023 (VPR 23), Hrsg. Bundesministerium der Verteidigung Berlin, November 2023.

Der vollständige Text ist bei WeltTrends als pdf herunterladbar. Die Stellungnahmen der anderen Experten sowie die vollständige Aufzeichnung der Anhörung finden sie auf den Seiten des Bundestages.


WeltTrends 201 – Revolte des Globalen Südens

Immer deutlicher wird das Bestreben der Gruppe der bevölkerungsstarken und wirtschaftlich aufstrebenden Staaten des Globalen Südens, eine eigenständige politische Rolle in der Welt zu spielen, zumal sich ihre Interessen häufig von denen anderer Länder, vor allem „des Westens“, unterscheiden. Im Thema geht es um grundsätzliche Fragen des Globalen Südens und um solche Regionen wie Süd- und Südostasien, Lateinamerika, den Nahen und Mittleren Osten sowie Zentralasien.

Im Forum 1 analysiert Oberst a. D. Wolfgang Richter Vorgeschichte und bisherigen Verlauf des Ukrainekrieges. Ausgehend vom Militärtheoretiker Clausewitz rät auch Hans-Heinrich Nolte der Ukraine, einen Kompromissfrieden zu suchen. Im Forum 2 setzen sich Wolfgang Schwarz und Lutz Kleinwächter mit der Forderung nach einer Nuklearbewaffnung Deutschlands bzw. der EU auseinander. Auch im WeltBlick widmen sich unsere Autoren aktuellen internationalen Fragen: der Verurteilung des Gaza-Krieges durch internationale Gerichte, den Beziehungen zwischen Georgien und Russland wie auch der US-Blockade Kubas.

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