Angela Unkrüer
Donald Trump – Niedertracht als außenpolitische Maxime
Nach der Wahl Donald Trumps im vergangenen November hatten sich die wenigen verbliebenen Ukraineunterstützer in der nunmehr gründlich MAGA-fizierten Republikanischen Partei, Demokraten und Beobachter dies- und jenseits des Atlantiks an die vage Hoffnung geklammert, dass dem bekanntermaßen transaktionalen einstigen und neuen US-Präsidenten eine Unterstützung der Ukraine schon irgendwie schmackhaft gemacht werden könnte: So hatte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj Europäern wie Amerikanern bereits in seinem „Siegesplan“ einen Zugriff auf die reichen ukrainischen Vorkommen an kritischen Rohstoffen in Aussicht gestellt – darunter etwa Lithium, Graphit, Titan oder Uran.
Ein weiteres populäres Narrativ vonseiten der Ukraineunterstützer lautete, dass man Trump nur an den als Demütigung empfundenen US-Abzug aus Afghanistan im ersten Jahr der Biden-Administration erinnern müsse, garniert mit dem dezenten Hinweis, dass eine Abkehr von der Ukraine als noch größere Schmach – diesmal allerdings für Trump – in die Geschichtsbücher eingehen würde.
Das Zerwürfnis im Weißen Haus am 28. Februar 2025 dürfte diese Hoffnungen jedoch ein für alle Mal zunichte gemacht haben. Denn was dem schockierten Publikum an diesem Vormittag im Oval Office dargeboten wurde, war selbst für Trump, der sich gern als „Disruptor“ inszeniert, ein beispielloser Bruch diplomatischer Gepflogenheiten: Einen ausländischen Staatspräsidenten, noch dazu eines Landes, das sich seit drei Jahren gegen eine Invasion verteidigt, vor laufenden Kameras wie einen unbotmäßigen Schuljungen zu maßregeln, ihn der Undankbarkeit zu bezichtigen und ihn anschließend mitsamt seiner Delegation vor die Tür zu setzen – das hat es in der Geschichte der US-amerikanischen Diplomatie so noch nicht gegeben.
Die passende Einstimmung zum Eklat lieferte dabei Brian Glenn, Korrespondent des rechten Senders „Real America’s Voice“ und Lebensgefährte der MAGA-Abgeordneten Marjorie Taylor Greene, die mit Verschwörungstheorien über „jüdische Spacelaser“ zu zweifelhafter Berühmtheit gelangt war. Jedenfalls ging Glenn Selenskyj umgehend wegen der Wahl seines Outfits an und beschwerte sich, warum der ukrainische Präsident im Oval Office keinen Anzug trage – ignorierte dabei jedoch geflissentlich die Tatsache, dass der Trump-Vertraute Elon Musk erst wenige Tage zuvor im T-Shirt und MAGA-Basecap neben dem resolute desk Hof gehalten hatte.
It all went downhill from there
Zum Eskalieren gebracht wurde die Situation jedoch durch eine Intervention des Vize-Präsidenten J.D. Vance, der Selenskyj zunächst in klassischer Täter-Opfer-Umkehr Respektlosigkeit gegenüber der Trump-Administration vorwarf und im nächsten Atemzug die ukrainische Armee beschuldigte, Soldaten an die Front zu pressen. Anschließend empörte sich Vance über Selenskyjs angebliche Undankbarkeit und bezichtigte ihn, mit dem Besuch einer Munitionsfabrik in Pennsylvania im Sommer Wahlkampfhilfe für die Demokraten geleistet zu haben.
Wenig später schaltete sich Trump mit eigenen Vorwürfen an die Adresse Selenskyjs ein, wurde dabei zunehmend aggressiver und hielt dem ukrainischen Präsidenten lautstark vor, mit „dem Dritten Weltkrieg zu spielen“. Nachdem Trump und Vance Selenksyj abwechselnd über die Tugenden der Dankbarkeit und des Respektes belehrt hatten, ließ es sich Trump gleichwohl nicht nehmen, Selenskyj in bester Schulhofmanier nachzuäffen und seinen Amtsvorgänger Joe Biden als „inkompetente und dumme“ Person zu verunglimpfen. Später schwadronierte der US-Präsident noch darüber, dass er wegen „shifty Adam Schiff“ gemeinsam mit Putin „durch die Hölle gegangen“ sei, bevor das unwürdige Spektakel schließlich mit dem Rauswurf der ukrainischen Delegation und ohne die geplante Unterzeichnung des überarbeiteten Rohstoffabkommens endete.
Viel ist in den vergangenen Tagen über die Gründe für den Showdown im Oval Office spekuliert worden. Trump und Vance hätten den Eklat gezielt provoziert, um Selenskyj öffentlich zu demütigen und eine Ausrede für die Einstellung US-amerikanischer Militärhilfen zu haben (Nichols 2025) die dann auch prompt nur wenige Tage später folgte. (Spiegel Online 2025) Das shouting match sei das Resultat zweier inkompatibler Persönlichkeiten gewesen, die zwar beide vom TV-Entertainer zum Präsidenten aufgestiegen seien, aber sonst kaum etwas gemeinsam hätten. (Beckmann 2025)
Letztlich reiht sich das Zerwürfnis im Oval Office jedoch ein in eine ganze Serie von Niederträchtigkeiten, die Trump der Ukraine und ihren Vertretern in seinen ersten fünf Wochen im Amt zugemutet hat. Zunächst ist da etwa der Besuch von US-Finanzminister Scott Bessent in Kiew zu nennen, der bei dieser Gelegenheit von Selenskyj ultimativ die Unterzeichnung einer ersten, geradezu neokolonialen Variante des Rohstoffabkommens verlangt haben soll: So sollte die Ukraine für bereits unter Biden geleistete Militärhilfen die Hälfte ihrer Mineralien, ihres Öls, Gas, Häfen und anderer Infrastruktur „auf ewig“ an die USA abtreten, was Selenskyj verweigerte, sodass Bessent unverrichteter Dinge die Heimreise antreten musste. (Harding 2025) Kurz darauf fiel Trump mit allerhand Social Media-Schmähungen an die Adresse Selenskyjs („Diktator ohne Wahlen“) auf, die auch aus der PR-Abteilung des Kremls hätten stammen können.
Bei seinem eigenen Kiew-Besuch Ende Februar drohte Trumps Ukraine-Gesandter Keith Kellogg Selenskyj schließlich mit der Abschaltung des für den Drohnenkrieg wichtigen Satelliteninternets Starlink (Dahmer und Wagner 2025) – offenbar wollte das Weiße Haus dem renitenten Präsidenten so in Sachen Rohstoffabkommen auf die Sprünge helfen. In diese Reihe gehört natürlich auch der bewusste Ausschluss der ukrainischen (und europäischen) Seite beim ersten amerikanisch-russischen Zusammentreffen in Riad.
Jenseits der diplomatischen Unverschämtheiten der Trumpisten verdeutlicht das Zerwürfnis jedoch noch einmal die radikale Neuausrichtung der US-Außenpolitik unter der zweiten Trump-Administration: Weg von den traditionellen US-Alliierten in Europa und in der westlichen Hemisphäre, die mit Hohn, Spott und Strafzöllen überzogen werden oder die sich – wie im Falle Kanadas oder Dänemarks – plötzlich Annexionsdrohungen aus dem Weißen Haus gegenübersehen, die nicht mehr wie noch unter Trump I einfach weggelächelt werden können. Nur passend erscheint vor diesem Hintergrund Trumps Hinwendung zu Russland, das mit Annexionen schon lange nicht mehr nur droht. Auch dass Trump in grotesker Verdrehung der Tatsachen der Ukraine die Aggressorrolle im Krieg zuschob, passt ins Bild.
Letztlich ist Trump und seinen Leuten das Schicksal der Ukraine, der sie nun einen Diktatfrieden aufdrücken wollen, herzlich egal. Oder wie J.D. Vance es zu Beginn der russischen Invasion ausdrückte: „Es interessiert mich nicht, was mit der Ukraine passiert“. (NBC News 2025) Ob Trumps Preisgabe der Ukraine und seine Abkehr von Europa nun den Auftakt zu einer neuen multipolaren Weltordnung bilden, eine Rückkehr zur Großmächtepolitik des 19. Jahrhunderts markieren oder eine Ära des Chaos und der Unberechenbarkeit in den internationalen Beziehungen einläuten werden, wird sich noch zeigen. Was jedoch sicher in Erinnerung bleiben wird, ist der Geist der Niedertracht, mit dem Trump und seine Administration diesen Epochenbruch eingeleitet haben.
(Stand: 5. März 2025)
Bioangaben: Angela Christina Unkrüer, geb. 1981, Dipl.-Verw.-Wissenschaftlerin und Master of European Studies (M.E.S.), WeltTrends-Redakteurin, Lektorin & Medienspiegel-Redakteurin.
Literaturverzeichnis
Beckmann, Gal (2025): The Key Mismatch Between Zelensky and Trump. In: The Atlantic, 01.03.2025.
Dahmer, Laura; Wagner, Hannah (2025): USA drohen mit Abschaltung von Starlink. „dann kann die ukrainische Armee nicht mehr kommunizieren“. In: Der Tagesspiegel, 22.02.2025.
Harding, Luke (2025): ‘It’s blackmail.’ Ukrainians react to demand for $500bn share of minerals. In: The Guardian, 22.02.2025.
NBC News (Hg.) (2025): Zelenskyy’s meeting with Trump and Vance unravels into extraordinary clash.
Nichols, Tom (2025): It Was an Ambush. In: The Atlantic, 28.02.2025.
Spiegel Online (Hg.) (2025): Trump setzt laut US-Regierungsvertreter Militärhilfen für die Ukraine aus.
Eine gekürzte Fassung des Artikels erschien in WeltTrends 204 – Afrika in der globalen Neuordnung.
WeltTrends 204 – Afrika in der globalen Neuordnung
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Vielen Dank der Autorin! Mit Interesse gelesen, ein ausnehmend wichtiger (und zudem richtiger) Ton im „WeltTrends“-Konzert dieser Tage!
Holger Politt