Arne Seifert
Friedliche Koexistenz der Staaten
– Gebot unserer Zeit
Vor fünfzig Jahren, am 1. August 1975 unterzeichneten die Oberhäupter von 35 Staaten in Finnlands Hauptstadt die „Helsinki Schlussakte“. Ein bis in die Gegenwart reichendes Dokument von internationaler Tragweite und Bedeutung,
Die Schlussakte entsprang Willen und Überzeugung der betroffenen Staatsoberhäupter, die Beziehungen ihrer Staaten auf Frieden, Sicherheit, Gerechtigkeit und besserer Zusammenarbeit zu orientieren. Zu den Unterzeichnerstaaten gehörten 15 Nato-Mitglieder, 7 Staaten des Warschauer Vertrags, 13 «Unabhängige» mit Beobachterstatus2 – die Mittelmeer-Anrainer Algerien, Ägypten, Israel, Marokko, Syrien und Tunesien.
Die Unterzeichner jener Schlussakte der Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa –KSZE, vereinbarten «Entschlossenheit, die folgenden Prinzipien, die alle von grundlegender Bedeutung sind und ihre gegenseitigen Beziehungen leiten, ein jeder in seinen Beziehungen zu allen anderen Teilnehmerstaaten, ungeachtet ihrer politischen, wirtschaftlichen oder sozialen Systeme, als auch ihrer Grösse, geographischen Lage oder ihres wirtschaftlichen Entwicklungsstandes, zu achten und in die Praxis umzusetzen». Diese Prinzipien waren:
«Souveräne Gleichheit, Achtung der der Souveränität innewohnenden Rechte; Enthaltung von der Androhung oder Anwendung von Gewalt; Unverletzlichkeit der Grenzen; Territoriale Integrität der Staaten; Friedliche Regelung von Streitfällen; Nichteinmischung in innere Angelegenheiten; Achtung der Menschenrechte und Grundfreiheiten, einschliesslich der Gedanken-, Gewissens-, Religions- oder Überzeugungsfreiheit; Gleichberechtigung und Selbstbestimmungsrecht der Völker; Zusammenarbeit zwischen den Staaten; Erfüllung völkerrechtlicher Verpflichtungen nach Treu und Glauben».1
Weiterhin verpflichteten sich die Teilnehmerstaaten, sich zur Überwindung des Misstrauens und zur Vergrößerung des Vertrauens zu vereinigen, die Probleme, die sie trennen, zu lösen und zum Wohl der Menschheit zusammenzuarbeiten.
Im Interesse der Gewährleistung europäischer Sicherheit vereinbarten die Signatarmächte:
- Anstrengungen zu unternehmen, um die Entspannung im universellen Sinne sowohl zu einem dauerhaften als auch zu einem immer lebensfähigeren und umfassenderen Prozess zu machen;
- zur Entwicklung engerer Beziehungen untereinander auf allen Gebieten und damit zur Überwindung der aus dem Charakter ihrer früheren Beziehungen herrührenden Konfrontation sowie zu besserem gegenseitigem Verständnis beizutragen;
- ihre Bemühungen, Beitrag zur Festigung des Friedens und der Sicherheit in der Welt und zur Förderung der Grundrechte, des wirtschaftlichen und sozialen Fortschritts und des Wohlergehens aller Völker zu leisten.
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Multipolarität wird sich monopolar nicht «domestizieren» lassen. Daran aber arbeitet der transatlantische Westen sich gegenwärtig ab. Er steht dabei vor einem sich herausbildenden weltpolitischen Lager aufsteigender Kräfte und Mächte in Eurasien, Afrika und Lateinamerika. Vor diesem Hintergrund bildet sich eine neue internationale Kräfte- und Konfliktkonstellation heraus, in der vom Westen tradierte internationale Regeln, Mechanismen und Profite ihre bisherige Monopol- und Modellfunktion verlieren. Henry Kissinger verglich eine solche neue Situation mit einem Zustand, in dem die «traditionellen europäischen Großmächte nicht wahrnehmen, dass die gegenwärtigen geostrategischen und geopolitischen Realtäten obsolet geworden» sind und «die Regeln und Normen, die eine paneuropäische Elite organisiert, sich ebenso wenig als ausreichendes Vehikel für eine globale Strategie erweisen, wenn die geopolitischen Realitäten dabei unberücksichtigt bleiben».
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WeltTrends 204 – Afrika in der globalen Neuordnung
Im Rahmen der breiten Diskussion um eine neue Weltordnung widmet Welttrends dem globalen Süden traditionell große Beachtung. Dieses Heft legt einen besonderen Schwerpunkt auf Afrika. Der Kontinent mit seinen enormen Potenzialen aber auch Problemen drängt Wissenschaft und Politik zu neuen Sicht- und Herangehensweisen.
Henning Melber zeigt in seinem Beitrag auf, dass die Neuorientierung der afrikanischen Staaten in diesem Prozess zu einer weiteren Auffächerung des Globalen Südens führt. Georges Hallermayer geht auf den sich verändernden Einfluss der Großmächte in Afrika ein. Frankreich befände sich derzeit gewissermaßen „auf dem absteigenden Ast“. Aus Sicht von Alexander Kotov könnte Russland davon profitieren, wenn es ein neues System der Interaktion mit dem afrikanischen Kontinent aufzubauen in der Lage wäre. Klaus Freiherr von der Ropp widmet sich den enormen Problemen, mit denen die Republik Südafrika zurzeit konfrontiert ist. Erhard Crome untersucht die Strategie der Trump-Administration in Bezug auf dieses Schlüsselland des Globalen Südens. Es ist offen, ob die widerstreitenden Prozesse auf dem faszinierenden Kontinent zu dem erhofften Aufbruch führen können.