Bimboes, Detlef / Scholz, Jochen
Eckpunkte für ein souveränes Europa – für die strategische Autonomie der EU
Die Souveränität und strategische Autonomie der EU umschließt sowohl die Ökonomie und die mit ihr verbundenen Bereiche wie Wissenschaft und Technik als auch den der Außen-/Sicherheitspolitik. Die nachstehenden Eckpunkte befassen sich im Wesentlichen mit der Außen- und Sicherheitspolitik.
Der europäische Kontinent wurde seit Jahrhunderten von Gewalt, Krisen, Kriegen und mehreren Weltkriegen mit ungeheuren Menschenopfern und Zerstörungen durchschüttelt. Nach dem II. Weltkrieg sorgten Entspannungs- und Ostpolitik kurze Zeit für Besinnung. Inzwischen droht der Ukraine-Krieg zum Vorboten neuen Unheils zu werden. Erster und oberster Grundsatz einer realistischen Sicherheitspolitik muss die Kriegsverhinderung sein. Es gilt mehr denn je: Der Frieden ist der Ernstfall. Jedes alternative Sicherheitskonzept hat die Kriegsuntauglichkeit der europäischen Industriegesellschaften in den Mittelpunkt zu stellen, denn im Falle eines großen konventionell oder atomar geführten Krieges werden Industrie und überlebensnotwendige Infrastrukturen größtenteils vernichtet und die Umwelt großflächig vergiftet, zerstört und unbewohnbar. In industriell hoch verdichteten und bewohnten Hightech Regionen ist der völlige Ausfall von Telekommunikationsnetzen zur leitungsgebundenen und drahtlosen Datenübertragung absehbar.
Nach Auflösung des Warschauer Vertragsstaatensystems und dem Entstehen neuer Staaten in Osteuropa bot Wunsch und Willen für ein Gemeinsames Haus Europa einen Moment lang wieder eine der wenigen historischen Möglichkeiten, endlich und dauerhaft Frieden einkehren zu lassen. Fundament dafür bot die Charta von Paris (1990) als grundlegendes internationales Abkommen zur Schaffung einer neuen friedlichen Ordnung in Europa. Europas Interessen liegen objektiv nicht nur in einem friedlichen, kooperativen Miteinander der Völker und Staaten auf dem eurasischen Kontinent, sondern auch mit denen Afrikas, Lateinamerikas und Nordamerikas. Nur auf diesem Wege ist der globale Aufbruch in eine multipolare Welt zukunftsfähig und friedlich möglich. Nur so lassen sich Bedrohungslagen verhindern und nicht mehr – wie oft auch ethnische/ religiöse Differenzen – für Krisen und Kriege instrumentalisieren. Dazu wird es nicht nur zu einer völligen Änderung der EU-Außen- und Außenwirtschaftspolitik kommen müssen, sondern auch der von vielen Mitgliedstaaten bis hin zu deren Binnenpolitik. Anders lässt sich global kein Vertrauen aufbauen.
Die Entwicklung seit der gescheiterten Umsetzung der Charta von Paris zeigt, dass sie trotz Mitunterzeichnung dem globalen Hegemonieanspruch der USA diametral zuwiderlief („Der unipolare Moment“, Krauthammer 1990). Europas Interesse kann nicht verfolgt werden, so lange sich die EU dem amerikanischen unterordnet. Denn „Europas Interessen sind andere als die der USA“ (Klaus v. Dohnanyi). Die Entwicklung seit 1990 mit der NATO-Osterweiterung, der Indo-Pazifik-Strategie, dem NATO-EU Kooperationsabkommen im Januar 2023 mit dem Vorrang der NATO sind schlagende Beweise dafür.
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Globaler Wirtschaftkrieg
Die Autoren der vorliegenden Ausgabe sehen die Welt auf unabsehbare Zeit im Wirtschaftskrieg. Im Thema wird eine „Fragmentierung der Weltwirtschaft in rivalisierende Blöcke“ konstatiert, eine „Versicherheitlichung der Mächterivalität“, kontraproduktiv zu den ökonomisch-sozialen und entwicklungspolitischen Notwendigkeiten (J. van Scherpenberg). Im Wesen gehe es bei den „Sanktionen als Instrumente des globalen Wirtschaftskrieges“ (J. Rieken) um die Aufrechterhaltung westlicher Dominanz. Die wirtschaftlichen und politischen Folgen der Wandlung der USA zur „Energiesupermacht“ mit globalem Einfluss (M. Daniljuk) und der Abbruch der direkten Energieimporte aus Russland bewirken einen Abstieg der Volkswirtschaften Deutschlands und Europas. Das geostrategische Umfeld der EU sei hochgradig instabil und von historischen Umbrüchen geprägt.
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Der folgende Kommentar bezieht sich auf die
„Eckpunkte für ein souveränes Europa – für die strategische Autonomie der EU“
von Detlef Bimboes und Jochen Scholz.
Ich kann dem Papier weitestgehend zustimmen.
Die folgenden Anmerkungen sind deshalb auch nicht „dagegen“ gerichtet, sondern als – allerdings nicht unwichtige – Ergänzung gemeint:
Ich halte die Rede von „Europas Interessen“ und ihre Gegenüberstellung gegen „amerikanische Interessen“ (womit ja, by the way, sicherlich „Interessen der USA“ gemeint sind), für nur begrenzt hilfreich.
Denn sowohl diesseits wie auch jenseits des großen Teichs gibt es – auch in Fragen Krieg und Frieden – gegensätzliche Interessen.
Ich stimme ja zu:
Für die weit überwiegende Mehrheit der Bevölkerung in Europa ist der Konfrontationskurs mit Nachteilen (bis hin zur Bedrohgung der eigenen physischen Existenz) verbunden. Und auch für relevante Teile der (ökonomisch) Herrschenden wäre das Gemeinsame Haus Europa einträglicher als das Anheizen der Rüstungsspirale.
Aber es gibt eben auch in Europa diejenigen, die noch heute lieber „va banque spielen“ wollen als auf eine gedeihliche Zusammenarbeit zu setzen.
Und umgekehrt sind auch die ökonomischen und politischen Eliten in den USA kein monolithischer Block.
Ich weiß: In einem kurzen Text lassen sich nicht alle Differenzierungen unterbringen – bei einer weiteren Ausarbeitung halte ich sie allerdings im Sinne einer Entwicklung einer realistischen Strategie für unabdingbar.
Besten Gruß
Bernhard Pfitzner