Hongjian Cui

Die Rückkehr der Geopolitik – Chinas Perspektive

USA versuchen, Beijing in die Enge zu treiben, Blöcke zu bilden. Dabei setzt China auf Entwicklung und Sicherheit. Warum Europa Washington nicht folgen sollte. Gastbeitrag.

Geopolitik galt aus chinesischer Sicht lange Zeit als moralisch falsches Konzept. Traditionelle geopolitische Theorien, wie Halford John Mckinders Idee der „Weltinsel“, wurden in der chinesischen Wissenschaft als „imperialistische Ansichten“ kritisiert.

Im politischen Narrativ Chinas gilt Geopolitik eng verbunden mit „Machtpolitik“ und als eine Form „hegemonialen Denkens“. China hat seit Ende der 1980er-Jahre bis heute seine Beziehungen zur Welt überwiegend unter einem wirtschaftlichen Blickwinkel betrachtet.

Die Förderung der wirtschaftlichen Entwicklung wurde zur obersten Priorität der chinesischen Politik, die Integration in die globalisierte Weltwirtschaft dominierte lange Zeit die Innen- und Außenpolitik Chinas. Das Ergebnis ist, dass China und die Weltwirtschaft eine integrierte Tiefe erreicht haben.

Veränderte Lage

Kurz nachdem es Japan überholt hatte und 2010 zur zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt aufgestiegen war, begann China den Druck der geopolitischen Konkurrenz durch die „Pivot to Asia“-Strategie der Obama-Regierung zu spüren.

Aber die Logik der Stärkung der Interdependenz mit anderen Ländern ist so hartnäckig, dass die chinesische Regierung, als sie 2013 und danach die Belt and Road Initiative [„Neue-Seidenstraße-Initiative“] vorschlug, sich an die neue Realität anpasste, eine der weltweit führenden Volkswirtschaften zu werden. Der Ansatz geoökonomischer Kooperation statt geopolitischen Wettbewerbs blieb weiter dominant.

Der wichtigste Faktor, der aus chinesischer Sicht zur Instabilität der Beziehungen zwischen den Großmächten geführt hat, ist, dass die USA China als „langfristigen Konkurrenten“ ins Visier nahmen und alle Mittel außer militärischen einsetzen, um China niederzukonkurrieren.

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Biografische Angaben: Prof. Dr. Hongjian Cui Direktor des Zentrums für EU- und Regionalstudien, Beijing Universität für Internationale Studien. igcu@pku.edu.cn

Der Artikel erschien auch im Heft 200 – Multipolare Geopolitik.


WeltTrends 200 – Multipolare Geopolitik

Die Weltpolitik, die zum Ende des 19. Jahrhunderts entwickelt wurde, ist heute angesichts globaler Veränderungen und Herausforderungen als analytische Kategorie aktueller denn je. Im Thema betont unsere chinesische Autorin Yuru Lian die drei Besonderheiten der chinesischen Geopolitik: die innere Orientierung, das Bestreben, sich auf das nachbarliche Umfeld zu stützen, sein immer mehr über die staatlichen und regionalen Grenzen hinausgehender weltpolitischer Einfluss. Auf die volle Übernahme neokonservativer Ideologie in Deutschland verweist Petra Erler. Weitere Autoren beschäftigen sich unter anderem mit den bevorstehenden US-Präsidentschaftswahlen (Roland Benedikter), dem Ukrainekrieg und seinen Folgen für Russland (Kerstin Kaiser) sowie zum Wesen des Wirtschaftskrieges (Andreas Forner).

Um aktuelle regionale Probleme geht es im WeltBlick: die Konflikte zwischen Venezuela und Guyana (Raina Zimmering) und zwischen Armenien und Aserbaidschan (Philip Ammon) sowie das Abkommen über die Falepili-Union zwischen Australien und Tuvalu (Oliver Hasenkamp).

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Ein Kommentar

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