Erhard Crome
»Der Westen hat den Kalten Krieg gewonnen«
Bedeutung der KSZE-Schlussakte damals und heute
Am 31. Juli 2025 gab Erhard Crome dem neuen deutschland ein Interview zu 50. Jahre Schlussakte der Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (KSZE).
nd: Je nach Verortung in Ost oder West wurde die KSZE-Schlussakte als Schritt zu Entspannung und Abrüstung gesehen. Sie galt als »Durchlöcherung des Eisernen Vorhangs«, bei nicht wenigen Menschen im damaligen »Ostblock« und insbesondere der DDR als Öffnung der Gesellschaft sowie auch als Chance auf »Westreisen«. Was war sie denn tatsächlich?
EC: Sie war wohl irgendetwas dazwischen. Um das zu verstehen, muss man sich in Erinnerung rufen, dass der Kalte Krieg drei Dimensionen hatte: Die erste war das Wettrüsten, das in den 1960er Jahren in immer größere Arsenale an Atomwaffen mündete. Die zweite waren Kriege an der Peripherie – der Korea-Krieg, der Vietnam-Krieg, in denen die Amerikaner beziehungsweise der Westen versuchten, Positionen wieder zu stärken, die sich aus dem Kolonialismus ergeben hatten. Und die dritte war die Auseinandersetzung in Europa, insbesondere um die deutschen Angelegenheiten.
Das Potsdamer Abkommen hatte ja keine definitive Lösung der deutschen Frage gebracht, sondern nur die Besatzungszonen definiert und die Maßgabe, Deutschland weiter als Ganzes zu behandeln und dann entsprechende Klärungen herbeizuführen. Das hat allerdings nicht stattgefunden, weil es zu den beiden Staatengründungen – BRD und DDR – kam. Insofern waren diese Auseinandersetzungen in Mitteleuropa eine der wichtigsten Fronten des Kalten Krieges, die tatsächlich mehrmals bis an den Rand eines größeren Krieges geführt hatten. Man braucht ja nur daran zu denken, dass sich nach dem 13. August 196 am Checkpoint Charlie in Berlin us-amerikanische und sowjetische Panzer direkt gegenüberstanden.
nd: Deshalb war Mitte der 1970er die Zeit reif für die KSZE?
EC: Ja, denn es war in erster Linie die Funktion der KSZE, diese Spannungssituation in Mitteleuropa zu entschärfen und das Ganze in etwas zu überführen, was man damals Modus Vivendi nannte: eine Klärung der Verhältnisse herbeizuführen, ohne alle Grundfragen gelöst zu haben.
nd: Die Anerkennung der Nachkriegsrealitäten dürfte insbesondere konservativen Kräften in Westdeutschland nicht gefallen haben.
EC: Man muss in diesem Zusammenhang sehen, dass die Alleinvertretungsanmaßung der Bundesrepublik – also die Doktrin, für ganz Deutschland zu sprechen und keine Beziehungen zu Staaten zu unterhalten, die die DDR anerkannten – immer brüchiger wurde. Die DDR wurde seit Ende der 1960er Jahre von immer mehr Staaten anerkannt, so ließ sich diese Politik nicht weiter verfolgen. Es brauchte eine andere Lösung. Das war dann die Brandtsche Ostpolitik. Dazu gehörte, alle jene Dinge praktisch zu klären, die sich klären ließen.
nd: Das galt auch für den Ausbau des europäischen Vertragswerkes?
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