Ruotong Shi und Hanyi Zhang

Rezension: Yuru Lian / Raimund Krämer (Hrsg.): China
und Deutschland in einer turbulenten Welt.

50 Jahre diplomatische Beziehungen. Potsdam 2022.

Der von Yuru Lian und Raimund Krämer herausgegebene Sammelband widmet sich dem 50-jährigen Jubiläum der 1972 begründeten diplomatischen Beziehungen zwischen China und Deutschland und präsentiert zu diesem Anlass eine facettenreiche Zusammenstellung von Beiträgen chinesischer und deutscher Autoren.

Die Publikation gewährt fundierte Einblicke in die aktuellen Entwicklungen Chinas, insbesondere in die chinesische Außenpolitik in Bezug auf aktuelle globale Fragen und legt den Fokus auf die Vermittlung chinesischer Weltsichten und die mehr oder minder intensive Würdigung dieser Perspektiven im deutschen Kontext.

Im ersten von insgesamt vier übergeordneten Abschnitten werden Aspekte der chinesischen Geschichte und der heutigen Realität behandelt. Zunächst befasst sich Yuru Lian mit der 4. Mai-Bewegung, mit der 1919 die Geschichte des modernen China begann und die den Marxismus in das Land brachte. Das einhundertjährige Bestehen der Kommunistischen Partei Chinas sowie ihre globale Bedeutung werden anschließend von Chunchun Hu beleuchtet, bevor Weihua Wang eindrucksvoll die wirtschaftliche Transformation Chinas durch die Reform- und Öffnungspolitik seit 1978 analysiert. Darüber hinaus werden in diesem Abschnitt die Seidenstraßen-Initiative und die Auswirkungen der Covid-19-Pandemie ebenso wie die Menschenrechtspolitik untersucht.

Alle Beiträge bieten wertvolle Einblicke in Chinas politische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklungstendenzen und können als eine Bereicherung für das Verständnis von Chinas Rolle in der globalen Weltwirtschaft angesehen werden. Die unterschiedlichen Perspektiven der behandelten Fragestellungen ermöglichen es zudem, ein breites Spektrum differenzierter Perspektiven kennenzulernen und neue Erkenntnisse über die angestrebte Zukunft Chinas zu gewinnen.

Der zweite Themenkomplex befasst sich anschließend mit der Entwicklung der chinesischen Außenpolitik seit den 1990er-Jahren. In mehreren Aufsätzen wird das strategische Konzept „Zurückhaltung üben, aber eine angemessene Rolle spielen“ von Deng Xiaoping analysiert und dabei die Notwendigkeit einer Anpassung der außenpolitischen Ziele an die gegenwärtigen und zukünftigen internationalen Herausforderungen bei der Gestaltung einer „friedlichen globalen“ Welt betont.

Am Beispiel der „neuen Seidenstraßen“ stellt Yiwei Wang die aktuelle Außenpolitik Pekings dar, während ein weiterer Beitrag auf die Rolle Chinas in der gegenwärtigen multipolaren Welt eingeht. Insgesamt offerieren die Aufsätze dieses Abschnitts aufschlussreiche Überlegungen zur Strategie der chinesischen Außenpolitik und zu Chinas Position in der globalen Weltordnung.

„Chinas Außenpolitik – Internationaler Kontext und Diplomatie“ lautet der Titel des dritten Abschnitts. Er widmet sich der Rolle Chinas in der sich insbesondere im globalen Süden wandelnden politischen Arena. Die Autor:innen thematisieren geopolitische Herausforderungen und Chinas diplomatische Strategien. Neben Chinas Politik in Bezug auf die koreanische Halbinsel (Tiejun Yu), Japan (Dong Wang) und Sicherheitsfragen in Südostasien (Daojiong Zha) werden die Beziehungen zu den USA (Wenli Zhu), das chinesische Engagement in der Arktis (Jin Liu) sowie das Verhältnis zu Organisationen wie G8 (Chao Deng) und BRICS (Erhard Crome) behandelt.

Neben außenpolitischen werden hier auch historische und wirtschaftliche Aspekte hervorgehoben. Jeder Beitrag verweist auf die mit der jeweiligen Thematik einhergehenden Bedingungen und deren Bedeutung für eine friedliche Zusammenarbeit, ebenso auf die möglichen mittel- bis langfristigen Auswirkungen. Insgesamt wird in diesem Abschnitt versucht, einen Einblick in Chinas diplomatische Bemühungen zu geben, wobei die Positionen Pekings in der internationalen Arena und die Entwicklung seiner Außenpolitik besondere Aufmerksamkeit finden.

Der abschließende vierte Themenkomplex fokussiert die langjährigen deutsch-chinesischen Beziehungen nach der Gründung der Bundesrepublik, der DDR und Chinas 1949. Dabei werden Einblicke in die historischen, wirtschaftlichen und politischen Verbindungen gewährt. Auch das besondere Verhältnis zwischen China und der DDR seit den 1950er-Jahren wird beleuchtet. Der Beitrag von Haiyan Ren und Ottmar Ette greift zeitlich weiter zurück. Er befasst sich mit bedeutenden Protagonisten der deutsch-chinesischen Beziehungen, allen voran Alexander von Humboldt, der den wissenschaftlichen und kulturellen Austausch zwischen den beiden Ländern maßgeblich beeinflusst hat. Auch in diesem Komplex werden Zukunftsaussichten diskutiert.

Das erklärte Ziel der Herausgeber und Autor: innen ist es, den Dialog zwischen beiden Ländern zu stärken. Dieser sei insbesondere angesichts der Rolle beider Staaten in ihren jeweiligen Regionen und politischen Bündnissen, aber auch auf globaler Ebene wichtig. Hingewiesen wird aber auch auf diplomatische Möglichkeiten, die Beziehungen zu verbessern. Zusammenfassend kann der Sammelband aufgrund der Vielzahl der behandelten, zum Teil komplizierten Themenstellungen als ein wichtiger Beitrag der politikwissenschaftlichen und zeithistorischen Forschung bewertet werden, der tiefe Einblicke in die vielschichtigen Beziehungen beider Länder gewährt. Er liefert essenzielle Erkenntnisse über die gegenwärtige geopolitische Lage und eignet sich gleichermaßen für akademische Forschungszwecke wie für allgemein interessierte Leser und bereichert die wissenschaftlichen Diskussionen.

Ruotong Shi/Hanyi Zhang

Die Rezension erschien zuerst in der Zeitschrift für Geschichtswissenschaften (Heft 12 2023).

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Globaler Wirtschaftkrieg

Die Autoren der vorliegenden Ausgabe sehen die Welt auf unabsehbare Zeit im Wirtschaftskrieg. Im Thema wird eine „Fragmentierung der Weltwirtschaft in rivalisierende Blöcke“ konstatiert, eine „Versicherheitlichung der Mächterivalität“, kontraproduktiv zu den ökonomisch-sozialen und entwicklungspolitischen Notwendigkeiten (J. van Scherpenberg). Im Wesen gehe es bei den „Sanktionen als Instrumente des globalen Wirtschaftskrieges“ (J. Rieken) um die Aufrechterhaltung westlicher Dominanz. Die wirtschaftlichen und politischen Folgen der Wandlung der USA zur „Energiesupermacht“ mit globalem Einfluss (M. Daniljuk) und der Abbruch der direkten Energieimporte aus Russland bewirken einen Abstieg der Volkswirtschaften Deutschlands und Europas. Das geostrategische Umfeld der EU sei hochgradig instabil und von historischen Umbrüchen geprägt.

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