Arne C. Seifert

Amerikas eurasische Hegemonieansprüche

Selbstbestimmung Europas kann nur noch als Emanzipation von Amerika stattfinden.
Egon Bahr

Elbridge Colby, Direktor des US „Verteidigungsprogramms“ („Center for a New American Security“, Washington) erläuterte im Dezember 2021 bei Atlantik-Brücke, Berlin, Amerikas Insistieren darauf, dass und mit welchen Zielen die NATO in einem  „Great Power Competition“ der USA mit Russland und China mitwirken müsse: “Wenn es die Nato noch nicht gäbe, müsste sie jetzt geschaffen werden.“ Sie sei im Kern eine Sicherheitsallianz und mit 29 Staaten sehr breit gefächert. Aber „ich bin mir nicht sicher, ob sie ausreichend zueinanderhält“. […] „Was ihr fehlt, ist eine wirkliche Bedrohung, so wie die der Sowjetunion.“ „Wenn Europa mehr Verantwortung gegenüber Russland schulterte, dann würde das den Vereinigten Staaten erlauben, sich noch stärker auf China zu konzentrieren.“[1]

Dass Amerika unter „Alliierte Partner“ die NATO in ihr Ringen integriert, stand und steht für die USA außer Frage: Als Basen „großräumiger, langfristiger U.S.-Militäroperationen gegen China und Russland“ gelten, so der Congressional Research Service im Januar 2021,  “US-Allianzen und –Partnerschaften, einbegriffen die NATO, welche geschaffen wurde, um die Sowjetunion (heute Russland) daran zu hindern, regionaler Hegemon über Europa zu werden“.[2] 

Vor diesem Hintergrund wird offensichtlich, dass hier die eingangs erwähnte Periode amerikanischer Bemühungen begonnen hat, mit Hilfe der NATO-Osterweiterung durch  Einbeziehen Eurasiens den eurasischen Doppelkontinent zu kontrollieren.

Colbys Anliegen nach einer „wirklichen Bedrohung“ wie Russland findet  bundespolitische Resonanz. Die „Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik“ (DGAP) wartete am 8. November 2023 mit einer neuen „Strategischen Neubewertung Russlands“ auf. DGAP, von Auswärtigem Amt, Bundesministerium der Verteidigung sowie Europäischer Kommission mit 27% finanziert, trommelt unverblümt zum Krieg gegen Russland: „Die Frage für die NATO und Deutschland ist nicht mehr, ob sie jemals in der Lage sein werden, einen Krieg gegen ein anderes Land zu führen, sondern nur wann. In ihrem neuen strategischen Konzept bezeichnet die NATO Russland als die größte und dringlichste Bedrohung für die Sicherheit ihrer 31 Verbündeten und für Frieden und Stabilität im euro-atlantischen Raum. Im Gegensatz zu früheren Analysen schließt das Bündnis einen russischen Angriff nicht mehr aus…. Die Uhr wird zu ticken beginnen, sobald die heftigen Kämpfe in der Ukraine zum Stillstand kommen.“

Welche Ungeheuerlichkeit! Welcher Schlag gegen die (Friedens) -Identität Europäischer Staaten, mit welcher diese nach dem 2. Weltkrieg in die EU und später den KSZE-Prozess starteten. Weggewischt auch die Visionen 1990 des bedeuteten SPD-Friedenspolitikers Egon Bahr von Europas Selbstbestimmung nach dem Ende des ersten Kalten Krieges zwischen Ost und West: „Damals begann die Erkenntnis zu wachsen, dass die Selbstbestimmung Europas, nach dem Ende der Sowjetunion nur noch als Emanzipation von Amerika stattfinden kann.“ So Egon Bahr Egon Bahr in einer  Grundsatzrede vor dem Deutsch-Russisches Forum in Berlin. „Unsere Emanzipierung von Amerika wird selbstverständlich und unabweisbar. Unsere Selbstbestimmung steht neben und nicht gegen Amerika. […]  Wenn amerikanisches Verhalten den Eindruck erwecken kann, Russland in die Knie zwingen zu wollen, dann teile ich die Meinung von Horst Teltschik, es sei blanker Irrsinn; das hätten schon Napoleon und Hitler versucht. Auf die Gegenwart bezogene Warnungen haben Kissinger und Gorbatschow, Kohl und Schmidt ausgesprochen. […] Wir können Russland nicht aufgeben, weil es Amerika nicht gefällt.“

Zur Geschichtsvergessenheit neuer deutscher Kriegsapologeten gehören ganz offensichtlich auch die damaligen Warnungen vor einer NATO-Osterweiterung, welche die UdSSR  schon zur  Beginn der Zwei-Plus-Verhandlungen des „Vertrags über die abschließende Regelung in bezug auf Deutschland“ am 5. Mai 1990. (Dieses Datum nicht vergessen!) Noch Hans-Dietrich Genscher hielt in seinen „Erinnerungen“ die Worte fest, in denen Eduard Schewardnadse, damals sowjetischer Außenminister, ein vereinigtes Deutschland sowie seine anwesenden transatlantischen Verbündeten mahnte und davor warnte, die  NATO nach Osten auszudehnen: „Für uns ist die NATO, was sie immer war, ein uns gegenüberstehender militärischer Block mit einer Doktrin von bestimmter Ausrichtung und unter Voraussetzung der Möglichkeit, den ersten nuklearen Schlag zu führen… Wenn man versuchen sollte, uns in Dingen, die unsere Sicherheit betreffen, in die Enge zu treiben, so wird dies – ich sage das ganz offen – eine Situation herbeiführen, in der unsere politische Flexibilität jäh beschränkt wird.“

„Beschränkung politischer Flexibilität.“ Wie immer solches Befinden einer Staatsführung sich nach einer längeren Periode darstellt, in welcher  ausfächernde Feindschaft in der Luft liegt, bleibt dahin gestellt. Als unbestritten kann jedoch gelten, dass gefährlichste  Komponente einer solchen Periode fehlende Friedensberechenbarkeit eines Feindes ist. Die Frage danach, ob fehlende Berechenbarkeit zu Krieg führt, blieb im Falle Russlands über Jahrzehnte unbeantwortet, womit sie nicht unbegründet war. Denn ein Mehr als der „bloße“ Vorgang des Kampfes ist die erkennbare Disposition zum Kämpfen, so lange, wie keine Gewissheit des Gegenteils vorliegt. (Sternberger)

Amerika hat gegenüber Russland weder seine politischen Absichten verschleiert, noch die exekutive Rolle der NATO dabei. Die Absichten bestätigte US-Präsident Biden in „US NATIONAL SECURITY STRATEGY“ von 2022: „Unsere bleibende Rolle“ […] Obwohl das internationale Umfeld umstrittener geworden ist, bleiben die Vereinigten Staaten die führende Macht der Welt. […] Die drängendste strategische Herausforderung, vor der unsere Vision steht, geht von Mächten aus, die autoritäre Regierungsführung mit einer revisionistischen Außenpolitik verbinden … und ein illiberales Modell der internationalen Ordnung exportieren.“ [3]

Mit letzterem sind Russland und China als Gegner und Feinde gemeint. Diese international wichtigste konfliktrelevante Handlungslinie reicht zurück bis in die ersten Jahre unmittelbar nach dem Ende des Ost-West-Konflikts. Als „wichtigste“ qualifiziert diese, dass sich die atomaren Mächte Russland und USA gegenüberstanden; die USA diese Konfrontationslinie ungeachtet der Auflösung des Systemantagonismus‘ entwickelten; die USA mit der Osterweiterung der NATO diese eindeutig hegemoniale Strategie militärischer Umzingelung Russlands unter Einbeziehung regionaler Verbündeter bis heute fortsetzt und mit Eurasien territorial erweitert.

Zu den Verläufen: 1991 interpretierte US-Präsident George Bush sen. die friedliche Beendigung von Kaltem Krieg sowie die Krise der Sowjetunion als Wegöffnungen für seinen Strategiewechsel zu einer unipolaren Weltordnung. Eine „Ordnung“ – so die „Österreichische Militärische Zeitschrift des Bundesministeriums für Verteidigung –   „in welcher die USA den Rest der Welt gestalten statt auf ihn zu reagieren“. (Zitat Bush). „Die amerikanischen Streitkräfte erhielten den Auftrag, die unipolare Pax Americana zu verteidigen und dafür Sorge zu tragen, dass in keinem Kontinent ein regionaler Hegemon die globale Führungsrolle der USA gefährdet.“ George W. Bush wiederum präsentierte als praktische Vorwärtsstrategie auf dem G-8-Gipfel von Sea Island im Juni 2004 seine „Greater Middle East“-Strategie. Er verstand sie als politische Agenda zur Umstrukturierung dieser Region durch die „Förderung von Frieden, Demokratie, Menschenwürde, Rechtsstaatlichkeit, wirtschaftlichen Chancen und Sicherheit“. Den Sturz Saddam Husseins erklärte er als Voraussetzung für die „Demokratisierung“ des Großraums Mittlerer Osten. Besonders schwer wiegt, dass die USA und England jene Aggression als offensiven Angriffskrieg führten, ohne selbst bedroht worden zu sein.

Deren „Disposition zum Kämpfen“ wurde damit Realität, jede „Gewissheit des Gegenteils“ ausgeräumt. Auch ein ein erster „Zugriff“ auf eurasisches Territorium war anvisiert.

US-Außenministerin Condoleezza Rice erweiterte im Juni 2006 Bushs Plan geostrategisch auf Zentralasien, Teile Süd-Asiens (Pakistan, Kaschmir, West-Indien), und den Persischen Golf. Sie öffnete damit den USA Wege bis dicht an die südliche Nachbarschaft Russlands. Die neue geostrategische Konstellation sollte es den USA ermöglichen, aus dem Nahen und Mittleren Osten via Afghanistan und Pakistan in unmittelbare Nähe der Staaten Zentralasiens (frühere Sowjetrepubliken) und des angrenzenden China vorzurücken. Die zentralasiatischen Staaten wiederum gelten für die Russische Föderation als „Nahe Nachbarschaft“. Zu jener Zeit scheiterte die Realisierung der amerikanischen Pläne daran, dass die umworbenen nah- und mittelöstlichen Staaten sich schlussendlich nicht auf die Absichten der USA einließen.

Der Bezug jener drei Jahrzehnte zurückliegenden konfliktiven Vorgänge besteht darin, dass die USA ihre globalen hegemonialen Ansprüche gegenwärtig verbrämt als Verteidigung einer „regelbasierten internationale Ordnung“ fortsetzten. So postulierte der US-Congress in “Report No. 117–667, Part I:

„Die Vereinigten Staaten sind führend in der freien, offenen und regelbasierten Politik.“ Gemeinsam mit der „Europäischen Union, Vereinigtem Königreich und anderen europäischen Ländern sind (sie) enge Partner und teilen Werte, die auf Demokratie, Menschenrechten, Transparenz und der nach dem Zweiten Weltkrieg geschaffenen regelbasierten internationalen Ordnung basieren.“ (Kursiv A.S.)

Diese amerikanische Verbündetenkonstruktion ist nichts anderes als die NATO, über deren Einbindung sie Amerikas globaler Hegemonie zu Diensten stehen. Im Folgenden wird die Einordnung der NATO sowie deren Paktsystems in die Strategie der USA gegenüber Eurasien/Russland/China im Rahmen „neuer Großmachtrivalität“ („New Great Power Competition“) nachgezeichnet. Es handelt sich um eine Periode amerikanischer Bemühungen, mit Hilfe bisheriger NATO-Osterweiterung innerhalb Europas durch  Einbeziehen Eurasiens den eurasischen Doppelkontinent zu kontrollieren. Damit beginnt eine neue Periode von NATO-Osterweiterung, in welcher sich die gesamte Transatlantische Allianz das Abenteuer einer NATO-Eurasien-Kontinentalisierung fahrlässig provokant aufbürdet.

Mehr noch: Bidens nationale Sicherheitsstrategie von 2022 nimmt den „Globalen Süden“ als externes Hinterland Russlands und Chinas ins Verzier. „Wir werden deren Verhalten beeinflussen und gegen sie ankämpfen.“ („influence their behavior and compete with them“) Als Bekämpfung von Terrorismus verbrämt, findet sich Amerikas Orientierung prompt in einer NATO „Strategie 2030“ wieder.

Eine  durch NATO-Generalsekretär Stoltenberg berufene und von Thomas de Maizière geleitete „Reflexion Group“ trugt der Transatlantischen Allianz an, ihren geostrategischen Operationsraum substantiell auszuweiten: „Die NATO ist sich seit langem der Tatsache bewusst, dass es neben den Bedrohungen aus dem „Osten“ auch Gefahren und diffuse Risiken für die Sicherheit des Bündnisses aus dem „Süden“ gibt. Eine klare Trennung zwischen diesen beiden Flanken verliert jedoch an Bedeutung: Der Süden und der Osten sind im Hinblick auf Russland, das im Mittelmeerraum eine immer wichtigere Rolle spielt, an den Nahtstellen (und geographisch durch den westlichen Balkan) miteinander verbunden. In den nächsten zehn Jahren wird daher ein 360-Grad-Sicherheitskonzept, in welchem der Süden für die NATO an Bedeutung gewinnt, ein Muss sein.“

In Eurasien dem Entstehen von Hegemonen entgegenwirken.

US-Congressional Research Service : „Ein spezifisches, von US-Politikarchitekten öffentlich nur selten Preis gegebenes Schlüsselelement traditioneller weltpolitischer Rolle der USA seit dem Zweiten Weltkrieg besteht darin, in Eurasien dem Entstehen von Hegemonen entgegenzuwirken. Dieses Ziel reflektiert eine amerikanische geopolitische Sichtweise und Grand Strategy, die von US-Strategen und Politikern während und in den Jahren unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg entwickelt wurde und grundsätzlichen Einschätzungen Rechnung trägt.“ (Kursiv – A.S.)

„Obwohl die politischen Entscheidungsträger der USA in der Öffentlichkeit nicht oft explizit das Ziel nennen, die Entstehung regionaler Hegemonen in Eurasien zu verhindern, scheinen die militärischen Operationen der USA im Ersten und Zweiten Weltkrieg sowie zahlreiche militärische Kriegseinsätze und alltägliche Operationen der USA seit dem Zweiten Weltkrieg (und nichtmilitärische Elemente der nationalen Strategie der USA seit dem Zweiten Weltkrieg) zu einem nicht geringen Teil zur Unterstützung dieses Ziels durchgeführt worden zu sein.“[4]

Dem entsprechenden, in 2023 aktualisierten Dokument des US-Congress Research Service zufolge verfolgen die USA mit jener Strategie folgende Absichten: 

Geopolitische: „Das bedeutenden Potential an Bevölkerung, Ressourcen und wirtschaftlichen Aktivitäten in Eurasien würden für regionale Hegemone eine Machtkonzentration darstellen, die groß genug wäre, um lebenswichtige Interessen der USA zu bedrohen.“  (Ebenda)

Politische Intervention: „Eurasien könnte zu verlässlicher Selbstregulierung nicht im Stande sein, so dass die eurasischen Länder aus eigener Kraft das Entstehen eurasischer Hegemonen nicht zuverlässig zu verhindern vermögen. Das bedeutet, dass die Länder Eurasiens […]  auf Unterstützung eines oder mehrerer Länder außerhalb Eurasiens angewiesen sind, um das Entstehen von Hegemonen verlässlich abzuwehren.“ (Ebenda)

Geostrategisch- militärische: „Das Ziel, die Entstehung regionaler Hegemone in Eurasien zu verhindern, ist der Hauptgrund dafür, dass das US-Militär so strukturiert ist, dass es von den Vereinigten Staaten aus eingesetzt werden kann, um weite Ozeane, den Luftraum zu überqueren und in Eurasien groß angelegte sowie nachhaltige Militäraktionen in dessen Gewässern und Luftraum durchzuführen. Dafür stehen unter anderem Luftstreitkräfte mit einer erheblichen Anzahl von Langstreckenbombern, Langstreckenüberwachungsflugzeugen, Langstreckenlufttransportflugzeuge, Tankflugzeuge sowie Flugzeugträgern zur Verfügung.“ (Ebenda)

Zeithorizonte: „Open End“. Den Oberbegriff „Ära“ verwendet eine US-Doktrin für „Internationale Beziehungen unter Bedingungen langfristiger strategischer Rivalität” nach dem Ende des Kalten-Kriegs.  („Post-Cold War Era of International Relations“.  Nachzulesen unter ttps://crsreports.congress.gov) Was de facto  auf „open end“ hinaus läuft. Die USA verorten den Beginn dieser Ära bei der „Einnahme und Annexion der Krim durch Russland im März 2014“, dessen „Handlungen in der Ost-Ukraine“ sowie „Chinas Vorgehen im Ost- und Süd-Chinesischen Meer.  Sie werten dieses Geschehen  als „Bedrohung von Kernelementen  der von den US geformten internationalen Ordnung.“ (Ebenda). Anders gesagt: Die Ära “langfristiger strategischer Rivalität” ist bereits Realität und prägt Amerikas Positionierung im Ukrainekonflikt und weit darüber hinaus.

Europas Sackgasse

Sich auf Amerikas eurasische Ambitionen einzulassen, zu solidarisieren oder sogar „mitzukämpfen“ würde sich für Europa als Sackgasse erweisen, rückt doch mit Zentralasien Bidens Absichtserklärung das Verhalten des „Globalen  Südens“ als unmittelbares Hinterland Russlands und Chinas zu beeinflussen in den OSZE-Raum ein.

Zentralasien bildet das Zentrum des europäisch-asiatischen Subkontinents. Seine Staaten – Kasachstan, Kirgisistan, Tadschikistan, Turkmenistan, Usbekistan – erstrecken sich wie ein riesiger an Russland und China grenzender Block. Allein Kasachstan ist mit 2 724 900 Quadratkilometern flächenmäßig neun größtes Land der Erde und erstreckt sich über zwei Zeitzonen. Zentralasien, vor allem sein größter Staat Kasachstan, spielen eine Schlüsselrolle im eurasischen regionalen Transport- und Kommunikationssystemen mit Russland, China, Kaspischem Meer, Iran, Kaukasus bis Europa. Chinas Transit nach Europa verläuft über Kasachstan. Letzteres kann als eine der „neuen Mächte jenes Südens“ gelten. Es hatte 2023  den Vorsitz der Shanghaier Organisation inne, welche  ca.

40 % der Weltbevölkerung auf sich zieht. Sie kann als ein euroasiatisches geopolitisches Gravitationszentrum gelten. Mit BRICS ist sie eine der sich dynamisch formierenden internationalen Kräfte, von denen Impulse fundamentaler Veränderungen in den globalen  Kräfteverhältnissen einer neuen multipolaren Welt ausgehen, wogegen der transatlantische Westen sich stemmt. Mit kollektiver Kraft bemüht er sich darum, diese Gegenkräfte aufzubrechen. Dabei sind  Zentralasien, hier wiederum Kasachstan, Brennpunkte.  Insbesondere im Kontext des Ukrainekonflikts bestürmt und erpresst er diese mit der „Loyalitätsfrage“: „Wir oder Russland und China!“

Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass zwischen den zentralasiatischen Staaten insgesamt, China und den arabischen Golfstaaten ein weitgehend gemeinsamer Nenner praktisch politischer internationaler Erwartungen, Prinzipien Verhalten, Abstimmung sowie Koordinierung herausschält.

Ähnliches bis Analoges ist in wirtschaftspolitischer Hinsicht zu beobachten. Die Gipfeltreffen, Vereinbarungen sowie Orientierungen der Shanghaier Organisation enthalten eine enorme Vielzahl gemeinsamer zeitgemäßer wirtschaftlicher, sozialer, kultureller nationaler, transnationaler, grenzüberschreitender Projekte.

Schlußfolgerung

EU-Europa sollte seine kontinentalen Erfahrungen und Potenziale zur Zivilisierung von Konflikten, Kriegsprävention sowie friedlicher Koexistenz umgehend revitalisieren. Seine eurasische kontinentale Verortung gilt es, zum gegenseitigen Vorteil weitsichtig zu erschließen. Letzteres ist perspektivisch von zentralem Gewicht, denn niemand anderes kann sich einer kontinentalen Nachbarschaft von Zentren der neuen multipolaren Weltkonstruktion erfreuen, wie China, Russland, Zentralasien und Europa. Ein Verhältnis friedlicher Koexistenz und Zusammenarbeit könnten sie gemeinsam zum globalen wirtschaftlichen Gravitationszentrum machen. Von Amerika und NATO ist zur Zeit in dieser Richtung nichts zu erwarten. 

Literatur

[1] Elbridge Colby, The number one national security priority is great power competition, Atlantik- Brücke, 21.12.2021.

[2]   U.S. Role in the World: Background and Issues for Congress, Updated January 19, 2021, Congressional Research Service.

[3] US NATIONAL SECURITY STRATEGY, October 12, 2022.

[4] Congress Research Service,  Defense Primer: Geography, Strategy, and U.S. Force Design, Updated April 19, 2022 und 2023.


WeltTrends 201 – Revolte des Globalen Südens

Immer deutlicher wird das Bestreben der Gruppe der bevölkerungsstarken und wirtschaftlich aufstrebenden Staaten des Globalen Südens, eine eigenständige politische Rolle in der Welt zu spielen, zumal sich ihre Interessen häufig von denen anderer Länder, vor allem „des Westens“, unterscheiden. Im Thema geht es um grundsätzliche Fragen des Globalen Südens und um solche Regionen wie Süd- und Südostasien, Lateinamerika, den Nahen und Mittleren Osten sowie Zentralasien.

Im Forum 1 analysiert Oberst a. D. Wolfgang Richter Vorgeschichte und bisherigen Verlauf des Ukrainekrieges. Ausgehend vom Militärtheoretiker Clausewitz rät auch Hans-Heinrich Nolte der Ukraine, einen Kompromissfrieden zu suchen. Im Forum 2 setzen sich Wolfgang Schwarz und Lutz Kleinwächter mit der Forderung nach einer Nuklearbewaffnung Deutschlands bzw. der EU auseinander. Auch im WeltBlick widmen sich unsere Autoren aktuellen internationalen Fragen: der Verurteilung des Gaza-Krieges durch internationale Gerichte, den Beziehungen zwischen Georgien und Russland wie auch der US-Blockade Kubas.

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